Schon ist es wieder vorbei, das diesjährige Theatertreffen, das vom 06. bis zum 23. Mai 2011 in Berlin stattfand und mit einigen Überraschungen aufwarten konnte. Dazu zählt beispielsweise, dass nicht nur große und namhafte Produktionen / Bühnen eingeladen wurden, sondern unter anderem auch die Perfomancegruppe She She Pop oder die kleine Ballhaus-Bühne aus Berlin.
Dass das
Kölner Schauspiel gleich mit zwei Produktionen unter der Leitung von Erfolgsregisseurin und Intendantin Karin Beier vertreten war, dürfte wohl nicht allzusehr verwundern. Elfriede Jelinek höchstpersönlich arbeitete mit ihr zusammen, um die Inszenierung von "Das Werk / Im Bus / Ein Sturz" auf die Bühne zu bringen, in der das Element Wasser eine ganz entscheidende Rolle spielt - von den Schauspielern aus Flaschen getrunken und ausgespuckt, stürzt es letztendlich in großen Kaskaden von oben herunter und flutet die Bühne - Anspielungen auf den Einsturz des Kölner Stadtarchivs und die Hybris des Menschen gegenüber der Natur sind da keinesfalls unbeabsichtigt. Dreieinhalb Stunden dauert das Spektakel, in der die Kölner Lokalpolitik so einiges einstecken muss und das Ensemble sprichwörtlich baden geht.
Besonders von sich reden machte auch "Verrücktes Blut". In diesem Stück zwingt eine Deutschlehrerin eine widerspenstige Klasse aus pubertierenden Arabern und Türken mit einer Pistole in der Hand dazu, Schillers "Räuber" aufzuführen, selbst wenn man dazu einem der Schüler in die Hand schießen muss. Dass es dabei mehr als um den Clash verschiedener Kulturen geht, ist klar - sind doch Themen wie Integration und die muslimische Welt brandaktuell. Doch soll man eigentlich noch von Integration sprechen, wenn die Generation der Einwanderer und Gastarbeiter bereits in Deutschland geboren und aufgewachsen ist? Wo stehen diese Jugendlichen? Geht es nicht viel mehr um Grenzverschiebungen, um Akzeptanz und Umdenken?
Auch die Perfomancegruppe
She She Pop widmete sich einem sehr aktuellen Thema, nämlich dem Altwerden, dem Altsein, dem Miteinander der Generationen. Aus diesem Grund wurden die betagten Väter der Schauspieler zum Teil des Bühnengeschehens und erreichten somit eine ganz besondere Realität, die auch die an Shakespeares "King Lear" angelehnte Rahmenhandlung nicht mehr verbergen kann. Offenbarung und Selbstdarstellung sind da greifbare Begriffe, die Grenzen zwischen aufgesetzter Rolle und realer Persönlichkeit sind fließend.
Posthum wurde Christoph Schlingensief nochmals Thema. Sein Projekt "Via Intolleranza II" zeigt, was sein Projekt in Burkina Faso alles angestoßen hat - die Idee, ein Dorf zu errichten, in dem es um Kultur und Bildung geht, ist noch nicht gestorben, die Bauarbeiten gehen weiter, bald soll die Schule eröffnet werden.
Wieder einmal zeigt das Theatertreffen, wie hochaktuell, wie brisant, wie real Theater sein kann und wie wichtig es ist, aktuelles Geschehen auch auf die Bühne zu holen. Daran könnten sich andere Schauspielhäuser durchaus ein Beispiel nehmen. Vielleicht füllen sich dann auch wieder die Reihen...
Aktuelle Lektüre: Theodor Fontane: "Der Stechlin"
Quelle der Bilder: Homepage Theatertreffen