Montag, 28. Dezember 2009

"Die Orestie" im Mainfrankentheater

Mit "Die Orestie" von Aischylos hat das Mainfrankentheater Würzburg ein unglaublich beeindruckendes und faszinierendes Mammutprojekt auf die Bühne gestemmt, das man in dieser Form wohl selten zu Gesicht bekommt. Uralt ist der Stoff dieser Tragödientrilogie, aber noch immer packend, ergreifend und bewegend. 458 vor Christus gewann Aischylos mit seinem Werk einen Dramen-Wettbewerb und wir dürfen uns glücklich schätzen, dieses Werk noch heute zu haben, denn es ist die einzige noch komplett erhaltene Trilogie.


Das Mainfrankentheater hat alle drei Teile dieses beachtlichen Werkes gezeigt, jeder Teil wurde dabei von einem anderen Regisseur betreut. Fast das komplette Ensemble war an dieser Produktion beteiligt, nebenbei noch etwa 70 Würzburgerinnen und Würzburger, die den Bürgerchor darstellten - eine schöne Geste, denn, wie Intendant Hermann Schneider gestern noch auf der Bühne betonte, ein Theater gehört schließlich auch der Stadt und damit den Bürgern und das Stück bot eine tolle Gelegenheit, die Bürger nicht nur im Zuschauerraum, sondern auch auf der Bühne zu versammeln. Dass im Vorfeld gemeinsam intensiv geprobt und an der Gruppendynamik gearbeitet wurde, bewiesen die Würzburger dann auch auf ganzer Länge und verliehen dem Stück damit eine ganz besondere Kraft. Überregionale Medien hielten es wohl nicht für nötig, von diesem tollen Projekt zu berichten und natürlich gab es wieder die üblichen Nörgler. Für Würzburg eben nichts Neues.


Dass eine Aufführungsdauer von fünf Stunden keineswegs abschreckt, bewies gestern das volle Mainfrankentheater an der letzten von insgesamt 17 Vorstellungen. Während Stephan Suschke im ersten, düsteren und leicht bedrückenden Teil "Agamemnon" eher auf statisches Spiel mit grotesken und überzogenen Gesten setzt, um das Gewicht der Worte in den Vordergrund zu stellen, geht es im von Schauspieldirektor Bernhard Stengele inszenierten zweiten Teil "Die Choephoren" sehr dynamisch und lebendig zu, nicht zuletzt durch den sehr großen Chor der Frauen, angeführt von Anna Sjöström. Stengele hat ohnehin ein Händchen für freche Details, Dynamik und Frische, wie er schon oft bewiesen hat. Im dritten Teil, "Die Eumeniden" kommt es dann zum großen Showdown vor dem Göttergericht, Athene und Apollon führen Orest durch den Prozess.

Allesamt waren sie gut, allesamt haben sie sichtbar ihr Bestes gegeben und das, obwohl vorher angekündigt worden war, dass drei Schauspieler gesundheitlich angeschlagen waren - davon war jedenfalls nichts zu merken. Besonders beeindruckend gab Maria Brendel die Klytaimnestra, die schon alleine durch ihre wunderbar rauchige Stimme, ihre ausdrucksstarke Mimik und sorgsam gewählte Betonungen den alten antiken Versen die nötige Gewalt zu verleihen wusste, Christian Manuel Oliveira als Orestes war ein wahres Energiepaket und zeigte, was in ihm steckte. Anna Sjöström, die auch den vierten Teil, ein anschließendes Satyrspiel als Regisseurin betreute, wusste als Chorführerin durch Körpersprache und Gestik ihren Worten Gehalt zu verleihen und Kai Markus Brecklinghaus als Chorführer und als Apollon zeigte zwei schön gegensätzliche Rollen - den Krieger, der die Last der langen Schlachten auf den Schultern trägt und den verschmitzten, goldenen Gott Apollon. Edith Abels gab mit verschmitztem Lächeln und ernster Tragweite die Athene. Schön ist auch die Tatsache, dass Anne Diemer nun festes Ensemblemitglied ist, eine neue ausdrucksstarke und facettenreiche Frau schadet dem Mainfrankentheater Würzburg keineswegs.

Ein Stück, dass sich wirklich gelohnt hat, das begeistert und gefesselt hat. Eine tolle Idee jedenfalls, sich mit Mut an so eine große Aufgabe zu wagen und sie dann so zu meistern, wie in Würzburg. Mehr davon...!

Übrigens: das Mainfrankentheater (von dessen Homepage auch die beiden Bilder sind) hat jetzt auch einen eigenen Channel auf youtube. Lohnt sich. Und spricht vielleicht auch mal die jungen Leute an, um den Zuschauerraum ein wenig zu entgreisen ;)

Aktuelle Lektüre: Marcel Reich-Ranicki: "Mein Leben"

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