Sonntag, 30. Mai 2010

"Verzeihung, Ihr Alten" im Mainfrankentheater


Ans Altwerden denkt eigentlich keiner gerne. Ans Sterben schon mal gar nicht. Doch für die Bewohner der Altenpension "Frydendal" sind diese Themen allgegenwärtig. Christian Lollike bringt mit seinem Stück "Verzeihung Ihr Alten, wo finde ich Zeit, Liebe und ansteckenden Irrsinn?" ein Thema auf die Theaterbühne, über das man sich lieber auszuschweigen pflegt. Doch was, wenn man selbst einmal vor der Wahl steht, was man mit pflegebürftigen Eltern oder Ehepartnern zu tun hat? Was denken die Alten eigentlich? Und wovon träumen sie?
Don Otto und Biermann jedenfalls erträumen sich beim heimlichen Zigarrenrauchen im Garten Reisen in ferne Länder, an Strände und unter Palmen und wollen schließlich einen Turm bauen, um über die Ländereien schauen zu können. Frau Frauke, die engagierte Leiterin des Heims, ist gleich Feuer und Flamme für dieses Projekt, denn sie erhofft sich, auf diese Art "Frydendal" einen Namen zu verschaffen. Währenddessen verliebt sich der Pfleger Valentin in die Kleptomanin Vera, während seine anderen beiden Kollegen die Heimsbewohner bestehlen und ihre Beute im Garten verstecken. Der ganze Trubel kann der Sängerin gar nichts anhaben, sie wankt stets mit ihrer Windel über die Bühne, herausgeputzt wie für einen Opernauftritt. Und trotz Demenz, Altersschwäche und Flüssignahrung, scheint die Freude am Leben noch nicht verloren gegangen zu sein.
Das Stück ist anders, keine Frage, erhielt aber von der "Mainpost" zu Unrecht eine schlechte Kritik. Klar, das Thema ist unangenehm, vielleicht auch weil es früher oder später jeden betrifft. Christian Lollikes Stück ist zwar sehr direkt, kann aber durch gezielt gesetzte Pointen und einen augenzwinkernden Blick auf die Sorgen, Nöte und Ängste des Altwerdens den Stoff ein wenig verdaulicher gestalten. Die Würzburger Inszenierung bleibt dem auch treu und selbst wenn laut Pflegern "da Kacke auf dem Boden" liegt oder die Sängerin ihre Windel hinter sich her schleift (laut Regieanweisung ist sie eigentlich vollgeschissen), kommen noch keine Ekelgefühle auf. Die Inszenierung von Deborah Epstein erhält zusätzlichen Charme durch die beiden kleinen Kinder, die die Regieanweisungen verlesen und bewusst die Barriere zwischen Schauspiel und den damit verbundenen Anweisungen durchbrechen. Auch die Schauspieler fallen manchmal kurz aus ihrer Rolle und wenden sich dem Publikum zu.

Maria Brendel gibt die sprichwörtliche Glucke, die sich um ihre Lieben kümmert und es sich nicht nehmen lässt, die Anwesenden gerne mehrmals zu begrüßen, sei es durch ständiges "Mahlzeit!" oder "Morgen!" und gibt sich die größte Mühe, es den Bewohnern von "Frydendal" so angenehm wie möglich zu machen. Georg Zeies als Biermann und Max de Nil als Don Otto sorgen für einige Lacher und erinnern manchmal an die beiden Muppet-Opas vom Opernbalkon, während Maria Vogt der alten Kleptomanin Vera auf liebevoll-komische Art Leben einhaucht. Anne Simmering schwebt als Opernsängerin in ihrer ganz eigenen Welt und gewinnt sehr bald die Gunst des Publikums. Ein sehr schön umgesetztes und gegenwartsdramatisches Stück, das mit seinem ganz eigenen Charme und seinem Tiefgang zu begeistern weiß.

Letztmals ist die Produktion am 05. Juni zu sehen.

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Quelle der Bilder: Mainpost


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