Mittwoch, 22. April 2009

Frischer Wind am Mainfrankentheater

Wer in diesen Tagen das tolle Studentenangebot des Mainfrankentheaters nutzen möchte, bei dem es für einige Zeit lang an der Abendkassen Restkarten umsonst zu erstehen gibt, sollte es unbedingt nutzen, um sich eine der beiden wirklich gelungenen Produktionen anzusehen, die dort derzeit gespielt werden.

Vor allem "Der Parasit" von Friedrich von Schiller lohnt sich ungemein. Das liegt zum einen nicht nur daran, dass dieses Stück ein ohnehin eher unbekanntes Drama des berühmten Dichters ist, sondern weil die stimmige, flotte und sehr gelungene Inszenierung von Schauspieldirektor Bernhard Stengele ein sehr guter Beweis ist, dass das Theater durchaus nicht nur zu unterhalten vermag, sondern auch in seiner Funktion als "moralische Anstalt" auch noch in der heutigen Zeit aktuelle und regionale Probleme aufgreifen kann. Dass das auch ohne eine krampfhaft auf modern getrimmte und mit billigem Sexismus bestückte Produktion gehen kann, beweist Stengele mit besagtem Stück. Und trotzdem geht noch die Post ab und das Publikum hat seinen Spaß. Schillers Stück um einen schleimigen Nutznießer namens Selicour, der sich durch sein intrigantes und egoistisches Verhalten nach ganz oben arbeitet, um von dort dank einer Intrige seiner Feinde wieder nach unten gestürzt zu werden, wurde kräftig entstaubt und erhielt einen neuen Anstrich. Aufhänger für die Inszenierung ist Würzburgs neuer Werbeslogan, der für einige Diskussionen sorgte: "Provinz mit Weltniveau". Und so hat auch der Minister Narbonne eine leichte Ähnlichkeit mit dem Wahlplakatsfoto von Herrn Rosenthal und Selicour erinnert an Wirtschaftsminister Guttenberg. Billig und platt, mag man jetzt denken, aber es passt. Umso mehr passt es auch, dass Narbonnes Tochter Charlotta endlich einmal keine sittsame und fügsame, allzu blasse Frauengestalt ist, sondern laut und aufmüpfig. Während der Dichter Karl um ihr Herz kämpft und ein schönes Liebesgedicht verfasst, duckmäusert sein Vater Firmin lieber, um keine Umstände zu machen. Währenddessen schmiedet der entlassene La Roche einen Plan, um Selicour endlich als Parasiten zu entlarven. Ein am Keyboard gesungenes Schillergedicht, Anspielungen auf Würzburg und Umgebung sowie auf aktuelles Zeitgeschehen machen Schillers Stück zu einem rasanten, pfiffigen, frechen und trotzdem sehr gut durchdachten Erlebnis, bei dem das Publikum (sogar die graue Front) seine sichtlichen Spaß hatte. Und spätestens wenn die Figuren am Ende aus ihrer Rolle fallen und Schillers Ende hinterfragen, um danach ihre eigenen Versionen durchzuspielen, macht die Kurve noch einmal eine Bewegung nach oben. Anschauen lohnt sich, nicht nur Kai Christian-Moritz als Parasit, sondern auch der Rest des Ensembles begeistert und fesselt. Sehenswert!

In der Kammer hüpfen derweil Christian Manuel Oliveira, Maria Vogt und Katharina Ries zusammen mit drei Schauspielern des Uniclubs in "Cabaret Tschetchnenien" über die Bühne. In einer Revue im Stil eines Cabarets aus den 20er Jahren wird ziemlich humorvoll, satirisch und schonungslos Tschetscheninen und seine Thematik behandelt. Von Selbstmordanschlägen, Bombenexplosionen und Geiselnehmern ist da die Rede, aber auch vom Öl, von der Krise, von der Armut und von den Lebensbedingungen dort. Eigentlich nichts zum Lachen, aber sehr zugespitzt auf die Bühne gebracht und gewisse kein gewöhnlicher Geplänkelabend.

Aktuelle Lektüre: Richard David Precht: "Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?"

Keine Kommentare: