Mittwoch, 11. November 2009

Das weiße Band


Wer "Das weiße Band" im Kino sehen will, darf sich keinen normalen Film erhoffen, nach dem man einfach so abschalten und aus dem Kino gehen kann. Denn wer den Regisseur Michael Haneke kennt, der weiß, dass seine Werke stets verstören, Fragen stellen und verwirren. Zuletzt sorgte er für Furore mit dem Remake seiner Gewaltstudie "Funny Games" mit Naomi Watts in der Hauptrolle, in der zwei in Golfanzügen gekleidete Jugendliche eine Familie der Reihe nach auf grausame Weise foltern, quälen und töten.

Gewalt ist auch das Thema in "Das weiße Band". Ein kleines Dorf kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs: eine Reihe seltsamer Ereignisse hält die Bevölkerung in Atem. Zuerst spannt jemand ein Drahtseil über das Grundstück des Doktors, weswegen wer mit seinem Pferd einen Unfall erleidet und lange ins Krankenhaus muss. Dann bricht wenige Tage später eine Frau durch den morschen Boden des Sägewerks und stirbt und kurz darauf wird der Sohn des Barons, Sigi, entführt und misshandelt, blutend und gefesselt wieder gefunden. Wer steckt hinter diesen seltsamen Taten? Wer ist für diese Unfälle und Missetaten verantwortlich? Der Lehrer des Dorfes (Theaterstar Christian Friedel in seiner ersten Filmrolle), der gleichzeitig als Erzähler der Geschichte fungiert, versucht, auf eigene Faust zu ermitteln und stößt sehr bald auf den Missfallen einiger Dorfbewohner. Schon nach wenigen Minuten merkt der Zuschauer, das die Bewohner fast alle einen Knall zu haben scheinen und der Blick hinter die häuslichen Fassaden gibt oft anstößige und schockierende Geheimnisse Preis, wie das sadistische Verhalten als Familienvater seitens des Pastors. Die strenge Kleidung und die zugeknöpfte Art, das Unterdrücken von Gefühlen und die verschiedenartigen Ausübungen von Gewalt, die wie alte Gouvernanten wirkenden Mädchen und die verängstigten kleinen Kindermienen schaffen eine bedrückende und ungemütliche Atmosphäre.

Schon bald erahnt der Zuschauer, wer hinter diesen Taten stecken kann, aber eine definitive Antwort gibt der Film nicht. Bizarr, bedrückend, beängstigend und ungewohnt neu, in schwarzweiß gefilmt, was wie ein lebendig gewordenes Foto aus Großmutters Album wirkt, hinterlässt "Das weiße Band" einen verwirrten, ratlosen Zuschauer und man hat für den Rest des Abends auf jeden Fall noch reichlich Diskussionsbedarf. Sicherlich sehenswert, weil so anders und neuartig, so fremd und so seltsam.

Aktuelle Lektüre: Marlen Haushofer: "Die Wand"

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