Freitag, 15. Januar 2010

Fernsehen für Doofe

Es ist wieder soweit: Deutschlands bekannteste Castingshow ist mittlerweile in die siebte Runde gestartet und wieder einmal wird mit Glitzer und Feuerwerk zum Staffelfinale ein NoName-Sänger aus der Versenkung gehoben, in welcher er auch eben so schnell wieder verschwinden wird. Macht aber nichts, schließlich gibt es vorher wirklich unheimlich viel zu lachen über diese dummen Menschen, die denken, sie können singen und es ist doch eine wahre Freude, wie schön Onkel Bohlen wieder seine Sprüche reißt und sich nebenher noch eine goldene Nase verdient. Dass das obendrein eine der einfachsten und billigsten Arten ist, eine Fernsehsendung zu erstellen, scheint wohl irgendwie zwischen den Werbeblöcken und Dieters Grinsen in Vergessenheit zu geraten.

Was sitzen da bloß für gewitzte Redakteure, die sich für die schlimmsten Kandidaten noch schöne Einspieler überlegen, wie etwa ein animierter Hammer, der scheinbar den Bildschirm zertrümmert, ein Zähler für ein Wort, das ein Kandidat besonders oft benutzt oder ein kleiner Dieter Bohlen in Engelsgestalt, der um den Kandidaten herumfliegt. Und noch besser ist es natürlich, wenn sich eine Person vor der Kamera verspricht, dann kann man nämlich fünf Mal zurückspulen, um den Fauxpas erneut abzuspielen und hat ganz nebenbei wieder ein paar Minuten Programm drin: "Also am meisten schätz isch am Dieter seine Direktischkeit...seine Direktischkeit...seine Direktischkeit...Direktischkeit...Direktischkeit."

Oder man begleitet besonders hoffnungslose Fälle nach Hause, quetscht sie über ihr Privatleben und ihre intimsten Wünsche aus, um dies dann in der Sendung auszuschlachten. Ob dicke Friseuse in zu hohen High-Heels, Jogginghosenrapper mit null Grips, das blasse Mauerblümchen mit Zahnspange oder der scheinbare Sunnyboy, der noch nicht ganz seinen Stimmbruch überwunden hat - alle kommen sie wieder aus ihren Löchern, um sich vor der Jury von "DSDS" zu behaupten, um sich eventuell einen Traum zu verwirklichen. Und um sich vorführen zu lassen, vor laufender Kamera von Dieter einen Spruch gedrückt zu bekommen und um einem Millionenpublikum gezeigt zu werden, das die hoffnungslosen Fälle gnadenlos verhöhnt. Dem Fass den Boden ausgeschlagen hat eindeutig ein Kandidat, der sich wohl entweder nicht rechtzeitig aufs Klo begeben hat oder nicht gescheit abgeschüttelt hat...peinlich, peinlich, für die Jury aber ein gefundenes Fressen und er wird somit als "Pipi-Kandidat" in die DSDS-Geschichte eingehen. Ein moderner und vollkommen durchdachter Freak-Zirkus, ein Sammelsurium an Kuriositäten, an denen man sich ergötzen kann. Ist doch schließlich wahnsinnig unterhaltsam, oder, wie dumm die doch sind, wie hässlich die aussehen und wie scheiße die doch singen. Haha, ja, mach sie fertig, Dieter! Du bekommst die gewünschten Quoten und damit die Garantie für eine weitere Staffel.

Dass Kandidaten, die zum Casting wollen, angeblich 40 € zahlen müssen, um erst einmal vor die Jury gelassen zu werden oder dass Pop-Mogul Bohlen einige seiner Sprüche erst nach dem eigentlichen Casting aufsagt und diese dann passend ins Programm geschnitten werden, vergisst man da leicht. Die gleiche Mache gibt es in grün bei "Bauer sucht Frau" und ähnliche Formaten. Oh mann, du armes deutsches Fernsehen, wo soll das noch mal enden...wo sind sie denn geblieben, die schönen Vorabendserien wie "Berlin, Berlin", "die Hagenbecks", "eine Familie zum Knutschen"...lesenswert dazu auch der SPIEGEL-Artikel "RTL sucht den Superdeppen."

Aktuelle Lektüre: Andreas Franz: "Der Finger Gottes"

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